- Gruppentheater
- Gruppentheater,freies Theater, freie Gruppen, Form von Theater- und Ensemblearbeit mit einem programmatischen Anspruch, der die Erfahrungsmomente des Theaters außerhalb der konventionellen Theatersysteme in den Mittelpunkt stellt. Entstanden in Opposition zum etablierten, literarischen und institutionalisierten Theater ist diese Theaterform in ihrer Ästhetik stark durch das Darstellen von Emotionalität und Körperlichkeit bestimmt, spontan aus der Dynamik psychische und physische Bewegung der Gruppe heraus entwickelt und kaum noch über literarische Rollen vermittelt.Vorbilder des Gruppentheaters liegen (bis auf die Commedia dell'Arte) in außereuropäischen Theatertraditionen, zumeist bei Formen kultureller oder ritueller Theatralik (indisches, chinesisches, japanisches, indonesisches Theater) und ethnische Theaterformen (afrikanisches Theater). Die Entwicklung des Gruppentheaters hatte Mitte und Ende der 60er-Jahre ihren Höhepunkt und stand in engstem Zusammenhang mit den Protestbewegungen dieser Zeit und ihren Ideen. Workshops, Festivals (z. B. in Edinburgh) und Gastspiele führten zu einem hohen Grad internationaler Verflechtung.Die geistigen Grundlagen dieser Theaterbewegung lieferte der Surrealist A. Artaud, aber auch P. Brook, J. Grotowski, B. Brecht. Ein anderer Entwicklungsstrang kennzeichnet diese Theaterarbeit: Formen des Happenings, der Aktionskunst und der Performance, die auch mit Multimedia-Experimenten die Grenzen zwischen Theater und bildender Kunst sprengen. Nach Versuchen nach dem Ersten Weltkrieg (E. Piscator) wurde Gruppentheater nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmend, v. a. durch Off-Broadway und Off-Off-Broadway, deren Gastspiele europäische Gruppentheater beeinflussten. In Europa entwickelten sich auch eigene Impulse zum Gruppentheater. Berühmte Ensembles sind beziehungsweise waren: Piccolo Teatro, Schaubühne Berlin, Théâtre du Soleil, außerdem in Frankreich Grand Magic Circus von J. Savary, in Italien D. Fo und Franca Rame (* 1929) mit La comune in Mailand, in Portugal Comuna Lissabon, KOM in Finnland, das Jura-Soyfer-Theater in Wien, in Spanien La Cuadra de Sevilla, in den Niederlanden Het Werkteater. In der Bundesrepublik Deutschland gaben die Studententheater neben amerikanischen Gastspielen Anstoß zur Bildung von freien Gruppen (u. a. Grips Theater Berlin); das Theater am Turm in Frankfurt (C. Peymann, R. W. Fassbinder) sowie die Kampnagelfabrik in Hamburg und die UFA-Fabrik in Berlin wurden als Spielstätten für Gruppentheater und deren Festivals bekannt. Besonders reich war und ist die Gruppentheaterszene in Berlin. In der DDR gelangten nur die Gruppe Zinnober und die Pantomimenbühne Berlin zu internationaler Aufmerksamkeit. In Osteuropa spielten die Gruppentheater nur als Studiotheater, hoch entwickelte Arbeitertheater oder Folkloreensembles eine geringe Rolle. Die stärkste Entwicklung gab es im polnischen (Krakow, Lodz) und tschechischen Theater (hier meist als Pantomimenensembles).
Universal-Lexikon. 2012.